21. März 2021 - Keine Kommentare!

Aufmerksam gebettet


Aufmerksam gebettet
Rainer Juriatti

Es mag sein, dass es Außenstehenden anstrengend erscheint. Der Abend bricht an, das Tagwerk liegt hinter uns, vielleicht rufen die Abendnachrichten, dann ein guter Film, um Kraft zu schöpfen für das Morgen. In das Ausblenden der vielen Aufgaben spreizt sich ein Alarm ins Leben.

18.27 Uhr. Klagenfurt. „Eilt“, steht daneben. Eineinhalb Autostunden, ohne Baustellen. Mit Baustellen eine Viertelstunde mehr.

Manchmal muss ich daran denken, wie es Feuerwehr-Freiwilligen und Rettungsassistenten geht. Auch sie haben die Alarm-App auf ihrem Smartphone. Oder wie es Gemeindeärzten ergeht, oder Unfallchirurgen und Krankenschwestern, die kurzfristig einspringen. Sie alle sind „auf Alarm“ programmiert. Das Leben kann jederzeit davon durchkreuzt werden.

In Dein-Sternenkind gebettet

Jüngst mussten Vera und ich drei Alarmrufe aus beruflichen Gründen ablehnen. Jede Ablehnung schmerzt ein bisschen. Aus diesem Grund jedoch ist es gut, dass wir bei „Dein-Sternenkind.eu" eingebettet sind: Der gesamte deutschsprachige Raum ist in Alarmkreise eingeteilt. In jeder Region gibt es ein Team von Fotografierenden. Jemand hat immer Zeit.

18.45 Uhr. Wir fahren los. Die Kameraausrüstung liegt jederzeit bereit. Die Akkus sind immer geladen. Vera braucht nur wenige Minuten, um passende Wäsche einzupacken. Mehr als zwei Stunden allerdings brauchen wir für die Anfahrt: Endlosbaustellen, dazu Schneefall auf einem Bergpass. Dann betreten wir die Eltern-Kind-Klinik in Klagenfurt. Davon eigentlich wollte ich heute erzählen: Von dieser Klinik.

In ein Körbchen gebettet

Das kleine Mädchen liegt sanft gebettet, in ein Körbchen, gekleidet in Gelb. Gewaschen. Gepflegt. Viel Liebe ist ihm bereits entgegengebracht worden, man kann es deutlich sehen. Der Raum ist hell, wir werden von einem kleinen Team sehr zuvorkommender und freundlicher Hebammen, Kranken- und OP-Schwestern begrüßt.

Die Mutter sei aus körperlichen Gründen nicht fähig, bei den Fotoaufnahmen dabei zu sein. Bereits im online-Briefing durch die Organisationsleitung von Dein-Sternenkind hatte ich erfahren, dass die Mutter eine Erkrankung hat, die die Geburt massiv erschwerte. Auch der Vater ist bereits erschöpft nach Hause gegangen. Vera und ich kennen das: Diese totale Erschöpfung, die Wahrnehmung einer umfassenden, dunklen Leere und Energielosigkeit. Nichts geht da mehr. Schon gar nicht ein schmerzendes Abschiedsfoto.

Also fotografieren wir das kleine Mädchen allein. Die wohl wichtigsten Bilder für seine Eltern entstehen. Aufnahmen von historischer Bedeutung sozusagen. Nichts ist ein zweites Mal möglich. Jetzt zählt es. Eine Hebamme fragt, ob sie uns unterstützen kann. Wir verneinen: Es ist alles da, das – so hoffen wir – gute Bilder möglich macht. Bereits knapp eine Stunde später sitzen wir wieder im Auto.

Von einem Team getragen

Es mag sein, dass es Außenstehenden anstrengend erscheint. Ein Alarm durchkreuzt unser Leben. Doch dieser Abend zeigt: Viele Menschen lassen sich durchkreuzen. Die Schwestern und Hebammen waren mit all ihrem Können und ihrer Liebe da. Die Ärzte waren da. Ein Securitymann im Windfang war da. Eine freundliche Dame am Empfang war da. Das Team in dieser Klinik hat uns durch unsere Aufgabe getragen, wir vermuten, ihnen ist das nicht einmal bewusst, so selbstverständlich ist es geschehen.

Und dass in Zeiten von Corona zunächst ein Schnelltest gemacht werden musste, damit wir die Station betreten können, das gehört gerne auch dazu. Andere Häuser halten ihre Türen für Sternenkind fotografierende Menschen wie uns derzeit geschlossen: Das erscheint uns in Anbetracht der Bedeutung eines „Dienstes von Außen“ als fatal für die betroffenen Eltern.

Hier geht's zu "Leon & Louis oder: Die Reise zu den Sternen".

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text

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