14. April 2025 - Keine Kommentare!

Writer in Residence

Writer in Residence

von Rainer Juriatti

Das funktioniert so nicht. Es funktioniert so nicht. Nichts funktioniert so. Writer in Residence. Das darf ich sein und ich bin dankbar dafür. Jemand zahlt, damit ich für eine Zeit in Triest sein kann, um hier zu schreiben. Ich bin wirklich sehr dankbar: Also schreibe ich. Drei, vier Stunden am Tag. Aber eigentlich ist mir am zweiten Tag schon total langweilig.

Und ich erkenne: Wir wissen, was wir vermissen, wenn wir mittendrin stecken in der Langeweile. Ich vermisse meine Hühner. Zu denen gehe ich jeden Morgen. Will heißen: das erste, was ich morgens mache, ist deren Scheiße aus dem Stall zu räumen. Ich wühle also in Scheiße, jeden Tag. Das ist das erste, das mir morgens unterkommt. Hier liege ich nur da und weiß: Ich bin wach. Kein Grund, aufzustehen.

Dann füttere ich den Kater. Er hat seine Rituale. Nein, mehr noch: Er liebt seine Rituale. Er kommt, setzt sich in die Küche und starrt mich an. Dann gehe ich zum Kühlschrank, er taxiert mich dabei mit Argusaugen, so, als sei er gespannt darauf, was ich als Nächstes anstelle. Allerdings tue ich doch immer das Selbe: Ich nehme den Sauerrahm aus dem Kühlschrank, gebe einen Löffel davon in eine Schüssel – seine Schüssel – und stelle sie zu seinem Trockenfutter. Dann gehe ich auf die Knie, schütte neues Futter in die zweite Schüssel und obendrauf garniere ich sein Frühstück mit ein paar besonderen Leckerbissen. Hier ist kein Kater. Niemand starrt mich an.

Dann bereite ich das Frühstück für meine Frau vor: Eine Scheibe Brot auf einen Teller und so weiter. Zu der von ihr bestimmten Weckzeit krieche ich zu ihr ins Bett und kitzle sie wach. Ich schau ihr in die Augen, küsse sie, wir stehen auf. Dann liest sie mir aus der Tageszeitung das Wichtigste vor. Hier ist: niemand.

Nach dem Frühstück arbeiten wir: Sie an ihrem Computer, ich an meinem. Wir gehen die Mails durch, ärgern uns gemeinsam über nichtfunktionierende-Funktionen auf mein-sternenkind, reklamieren, planen, visionieren. Gegebenenfalls absolviere ich danach ein Videocasting für meine Agentur. Dann mache ich Sport in der Natur. Ich drehe eine Radrunde durch die Berge rund um Graz oder gehe Laufen. Eher Radrunden von eineinhalb bis zwei Stunden. Hier ist kein Frühstück, hier ist kein gemeinsames Arbeiten. Nur Loslaufen in einer Industrie- und Hafenstadt, die vor Grautönen strotzt. Weit und breit kein Meer und doch direkt daneben.

Der Rest des Tages: Öde. Appartement mit Blick auf Touristen. Dazu stimmungstrübender Dauerregen. Wortakrobatik legt sich auf: Tristes Triest.

Nein, so funktioniert das nicht. Ich erkenne: Ich brauche das hier nicht, vielmehr brauche ich das ganze "Zeugs" um mich herum, die Hühner, den Kater, die Scheiße. Mir wird in diesen zwei Tagen klar, dass ich dem Gesponserten längst entwachsen bin. So sehr das Sponsoring auch respektvoll und anerkennend sein mag – es fehlt meine Eitelkeit, denn vor zwanzig Jahren noch hätte das vielleicht funktioniert: Ich, ein österreichischer Autor in Residenz. Wie grandios. Doch heute: Ich will meine Hühner, ich will meine Scheiße, meinen Kater. Ich will meine Frau wachkitzeln und mit ihr planen, was wir uns mittags kochen werden. Denn ich will doch nur aufrichtig schreiben. Aufrichtig schreiben.

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text

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