12. Oktober 2022 - Keine Kommentare!

dark sides

DARK SIDES
von Rainer Juriatti

Light side: Sie lachen. 90 Minuten und mehr, dann bedanken sie sich für den schönen Abend. Light side: Sie lesen und bekunden, wie schön das Buch gewesen sei. Wo Licht ist, ist in diesem Fall viel Dunkel.

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In den vergangenen drei Jahren habe ich hunderte Veranstalter kontaktiert. Viele antworten gar nicht auf Zuschriften, ganz wenige antworten überhaupt und die, die antworten, stellen die Frage, ob es ein Video gebe von unserem kabarettistisch-musikalischen Literaturabend. Gibt es: ein selbst gedrehter, kurzer Blick auf die Bühne. Nicht sehr aussagekräftig. Wie soll es ein Video geben, wenn du nicht grad im Simpl in Wien auftrittst und der ORF dich übertragen hat? Und wenn dem so ist: Musst du dann noch Mails an Veranstalter schreiben?

Wir müssen schreiben. Und warten. Gestern erhielt ich eine Antwort aus Salzburg. Acht Monate nach meiner Anfrage: Wir sollen doch bitte woanders an die Tür klopfen. Dankeschön: Künstler leben von Auftritten, in vielerlei Hinsicht. Zuletzt auch monetär. Wenn wir dank Corona jahrelang gar nicht auftreten dürfen, raubt man uns die existenzielle Grundlage. Und Veranstalter glauben, auf große Namen setzen zu müssen. Doch dort setzt es ebenso aus: Jüngst hat das traditionelle und schon legendäre Grazer Kartenbüro seine Pforten geschlossen. Mangels Kundenstrom. Man darf sich also durchaus berechtigt fragen, ob allein große Namen zählen oder ob vielleicht sogar der Ruf nach Neuem angebracht wäre.

Wenn sich jemand auf das Experiment einlässt, uns zu engagieren, dann ist das Bild immer wohltuend gleich: Es kommen interessierte Leute (und Veranstalter sind oft erstaunt, dass soooo viele gekommen sind), füllen den Raum, amüsieren sich 90 Minuten und mehr. Es kann je nach Stimmung auch 120 Minuten dauern. Kabarett, so, wie es in den Gründerjahren gedacht war. Die Lachmuskeln trainierend und in Sinnfragen in die Tiefe tauchend.

dark side 2

Wir haben uns entschlossen, Bücher aus weiblicher Denksicht, aus Frauenhand also, herauszubringen. Auch hier: Hunderte Veranstalter kontaktiere ich. Wirklich schlecht bezahlt, dürfen wir dann an drei, vier Orten pro Jahr zu Gast sein. Die Autorinnen erwarten von ihrem Verlag, dass er sie begleitet. Also begleite ich.

Jüngst schrieb mir ein staatlich geförderter Verband, man habe eine unserer Autorinnen eingeladen. Ich solle zum Zwecke der Abendmoderation das Buch, aus dem sie lesen werde, zusenden. Auf meine Frage, ob es bezahlt werde, erhielt ich die Nachricht, man erwarte ein Gratisexemplar, da es ja Werbung für das Buch sei. Ich fühlte mich sofort an die NATIONALBIBLIOTHEK erinnert. Und dann erhielt ich eine weitere Mail, in der mir mitgeteilt wurde, man habe das Buch inzwischen „woanders“ bestellt.

Ich schrieb zurück, dass jener Ort, an dem das Buch bestellt werde, dieses nun bei mir bestelle, natürlich abzüglich einer Provision für den Zwischenhändler in Höhe von 30%, welche wiederum am Ende der Autorin in der Buchabrechnung abgehen werde. Somit verlören alle: der Veranstalter für den höheren Preis (da ich ja Rabatt geben darf), wir als Verlag, weil wir von den wenigen Cent noch weniger haben und die wenigen Cent ja 50% mit der Autorin teilen, eine Novität unter Verlagen.

Durch das Handeln des staatlich geförderten Verbandes, geführt von Frauen, die es sich tunlichst verkneifen, einem Kollegen Geld zu überweisen für eine Ware, verlieren somit alle.

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in Text

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