19. März 2023 - Keine Kommentare!

persona non grata

PERSONA NON GRATA
von Rainer "Yuri" Juriatti

(The Universe of Isolation / we all stay alone)
Kennen Sie das?

Der Leiter Ihrer Firma urteilt über Sie. Permanent ruft er Ihnen – sagen wir „aus der Ferne“, da Sie nicht in der Zentrale arbeiten – zu, was Sie alles falsch machen. Ausschließlich, was Sie falsch machen. Er kritisiert Ihre Arbeitshaltung, ohne diese zu kennen, er kritisiert Ihre Vorgehensweise, ohne diese zu kennen, er kritisiert Ihre Teambildung, zugleich hilft er Ihnen nicht, wenn es Kundenprobleme gibt. In Krisen betont er vielmehr, dass Sie selbst schuld daran sind, ja im Grunde nur Sie daran Schuld tragen. Sie spüren, er lehnt Sie „per se“ ab. In seinen Augen fehlt Ihnen jegliche Selbständigkeit, jegliche Kompetenz, jegliches Denkvermögen. 

Sie halten das aus. Sagen wir mal: jahrelang. Doch zunehmend macht Ihnen die Präpotenz dieses Menschen, der Sie belehrt und Urteil um Urteil über Sie fällt, trauriger und trauriger. Am Ende bleibt Wut zurück, da Sie sich so unendlich machtlos fühlen.

Eines Tages platzt Ihnen der Kragen und Sie beurteilen seine Urteile. Da Ihnen längst klar ist, dass Sie keinesfalls einen Tag länger für ihn arbeiten wollen, spiegeln Sie diesem Menschen seine Haltung und beschimpfen ihn, nur, damit er Sie endlich in Ruhe lässt. Ihre Beschimpfung feuern Sie gezielt ab, sie ist lange durchdacht, wurde tatsächlich wohlüberlegt ausgefeilt: Wie Sprengstoff an einer Brücke, präzise platziert, da Sie sich selbst am besten kennen: Es soll keinen Weg zurück geben. Da Sie sich nicht weiter ausbeuten lassen wollen. Ein Stich in das Herz des Drangsalierers sozusagen.

Gut. Gut gemacht! Nun haben Sie endgültig verloren.

Er nämlich sieht sich bestätigt in seinem Glauben, Sie seien impulsiv und unberechenbar – zu überraschend traf Ihre Beschimpfung seine eitelsten Persönlichkeitsnarzissmen. Und natürlich reagiert er: Ihre Beurteilung nämlich ist ihm willkommenes Öl ins Feuer, Sie selbst haben ihm jenen Sprengstoff geliefert (Sie Dummbatz!), den er braucht, um nun vom Urteil in die Verurteilung überzugehen. Jetzt darf er Sie genussvoll öffentlich hinrichten. Er verfasst Rundschreiben an alle Mitarbeiter seines Konzerns, informiert Partnerfirmen von Ihrem Verhalten und brieft Meinungsmacher. Ihr Ruf in Ihrer Berufsbranche ist ruiniert. 

Machthebelbesitzer sind Täter. Sie sprechen die Todesstrafe über Sie aus, indem sie Ihnen Ehrenrührigkeit und eine Verhaltensstörung unterjubeln, begründet nicht in Ihrer Arbeitsweise und den Ergebnissen Ihrer Arbeit, sondern allein in Ihrem Mut, sich nicht alles gefallen zu lassen.

Und dennoch: Sie haben natürlich endgültig und für alle Zeiten verloren (Sie Vollkoffer!). Die über Sie gefällte Verurteilung zieht große Kreise, während sie "stille Post" spielt, abgewandet, verstümmelt, zu Ihren Ungunsten ausgelegt alle Feinde weckt, die Sie je hatten in Ihrem Leben. Und alle sind sich einig: Ja, Sie (Sie!) haben nicht alle fünf Sinne beisammen.

So schafft sich die Welt Täter als Propheten.

(Ich vermute, Tausenden ergeht es in dieser Weise und schreibe diese Zeilen aus eigener Betroffenheit. Mir widerfuhr es zwei Mal im Leben: vor wenigen Jahren in einem Weltkonzern und jüngst bei einer deutschen Stiftung.)

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in der Kategorie des Notwendigen, Text

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