29. April 2021 - Keine Kommentare!

Raum der Stille


Raum der Stille
Rainer Juriatti

Eine Kapelle haben sie. Auch eine Kirche ist zu finden in ihrem Bautenkomplex mitten in Wien. Gleich neben dem Stadtpark. Nun fragen sie, wie es sich verhalte mit einem "Raum der Stille". Ich antworte, er dürfe keinesfalls bunte Glasscheiben haben. Auch keinen Altar wolle ich darin sehen. Zu meinem Erstaunen sagen sie: Dann mach mal.

Der Raum misst 24 Quadratmeter. Er soll ein Krankenbett fassen können, dazu Angehörige, die sich um das Bett versammeln. Als die Architekten von einem Schrank sprechen, den sie an die Wand stellen wollen, ganz klassisch, denke ich sofort an Hocker, die im Schrank versenkbar sein müssen. Also zeichne ich Hocker mit klappbarer Sitzfläche. Damit die Schrankfront schön glatt bleibt. Am Ende werden die Möbelbauer darauf verzichten. Die Hocker sind gut zu erkennen auf dem Foto: die unterste Reihe des Schrankes, bei Bedarf herauszuziehen.

Jelena bitte ich, die Symbole der Weltreligionen zu zeichnen. Die klare Struktur des Schrankes, dessen Boxengröße mit 400x400mm fixiert ist, soll durch die handgezeichneten, schwungvollen Symbole, die eingefräst werden, etwas gebrochen werden. Aber nur ganz dezent. Das Klare, das wenig Verziehrte muss vorherrschen.

Die Inhalte der Konfessionsboxen sind klar definiert:

Wir geben hinein, was die jeweilige Glaubensgemeinschaft für einen religiösen Akt auf einer Palliativstation braucht. Allerdings geht es hier nicht um’s Sterben, es geht um das Leben selbst. Für die Moslems legen wir mehrere Gebetsteppiche in die Box, da Moslems oft über viele Stunden bei einem Patienten bleiben.

Und mit diesem Gebetsteppich geht ein Wunsch einher, der leider nicht realisiert wurde: An der Decke des Raumes möchte ich einen von Jelena gezeichneten Kompass anbringen lassen. Damit man sieht, in welche Richtung man beten muss. Und ebenso, wie der Kompass für Moslems wichtig ist, ist er für Buddhisten von Bedeutung. Sie richten sich bei Krankheit gegen Süden aus. Buddhisten benetzen die Hand eines Erkrankten darüber hinaus mit Wasser.

So ist es für sie wie für alle Menschen von Bedeutung, dass Kranke gewaschen werden können. Also planten wir natürlich einen Kubus für Wasser in den Raum.

 

 

 

 

Das Leben ist ein schwebender Zustand. Auf dem Flur vor dem Raum der Stille möchte ich gerne eine Acryl-Buchstaben-Installation anbringen. Sie soll zum Raum "hinführen". Unter vielen Angeboten entscheidet sich das Team der Palliativstation für eine Goethe-Anlehnung: „Berühre, was die Welt zusammen hält.“ 

Auf den Bildern sind kleine Kerzen in grässlich goldenen Kerzenständern zu sehen. Diese müssen noch entfernt werden. Die Kerzen kommen in die Einkerbungen der einzelnen Laden - bei Bedarf und Lust. Die goldenen Teile sollen weggeschmissen werden. Und damit erklärt sich auch der einzelne, graue Kasten: Er ist unser Servicemodul. Dort drin finden sich die Ladegeräte für die LED-Kerzen. Flammen sind ja in einem Spital nicht erlaubt.

Veröffentlicht von: Rainer Juriatti in Text

Eine Antwort verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.